3. Oktober 1999 - Ben van Oosten, Den Haag
Die Spannungskurve zeigt konstant nach oben Widor, die zweite: zum zweiten Mal schon spielt Ben van Oosten sämtliche Sinfonien Charles-Marie Widors in St. Joseph. Auch wenn die Idee somit nicht neu und die Art der Programmgestaltung nicht besonders einfallsreich erscheint, van Oosten kann man wohl kaum zum Vorwurf machen, dass er dieses Repertoire wie kein Zweiter beherrscht und stilgemäß zu interpretieren versteht. Eine lobenswerte Neuerung sind dagegen die Einführungen, die vor den Konzerten angeboten werden. Diesmal standen die dritte (op. 13,3) und die siebte Sinfonie (op. 42, 3) auf dem Programm, die van Oosten jeweils in ihrer gegenüber der Erstveröffentlichung mehr oder weniger stark überarbeiteten Neufassung spielte. Mit langem Atem zeichnete er die großangelegten Melodielinien mit sinfonischen Dimensionen nach, wobei die Spannungskurve konstant nach oben wies. Das gravitätisch-erhabene Prélude der dritten Sinfonie gewann auf diese Art und Weise sehr an Eindringlichkeit, wie auch das pomphafte Gepräge des "Marche" durch den beherzten Zugriff des Interpreten zu voller Entfaltung kam. Die eher durch einen gewissen klanglichen Charme als durch eine übermäßig inspirierte Themenwahl geprägten Sätze, wie das Minuetto oder das Adagio, kamen durch van Oostens Faible für die aparte Melodik abenfalls sehr vorteilhaft zur Geltung. In der siebten Sinfonie benutzt Widor ein auch bei seinem Zeitgenossen Louis Vierne zu findendes Verfahren, bei demfast alle Themen von einem einzigen "Urthema" abgeleitet werden. Die großen Dimensionen dieses Werkes waren bei Ben van Oosten stets in den besten Händen. (Guido Krahwinkel) |