22. November 1998 - Jean Guillou, Frankreich
Alice und die Klanglawine hinter dem Spiegel
Orgelkonzert mit Jean Guillou in St .Joseph
Alices Vater Lewis Carroll hat nicht alles erzählt. Während die Abenteuer im Wunderland von dem Gegensatz zwischen ihrer klaren kindlichen Logik und den verworrenen Einlassungen der Fabelwesen geprägt sind, wird sie nach dem Durchschreiten des Spiegels neuerlich von einer „Klanglawine“ überrollt, findet sich an einem geheimnisvollen Ort unter lauter „einbeinigen Gestalten wieder“, die wie „Regimenter in Reih‘ und Glied stehen“. Schließlich aber geht sie mit gestärktem Wissen aus diesem Wirrwarr hervor.
Jean Guillou, Titularorganist an der Pariser Kirche St. Eustache, der das dritte Orgelkonzert des 35. Bonner Orgel-Triduums in St. Joseph bestritt, läßt Alice zwischen die Orgelpfeifen geraten, die einzelnen Register des Werkes lassen sie erschauern, belustigen sie oder nötigen ihr Respekt ab. Dazu erklingen kurze, quasi improvisierte Miniaturen, welche das Gesehene mit dem richtigen Klang in Verbindung bringen: ein kurzweiliges, sehr anschauliches Lehrwerk, dessen Text von Dorothée Hütte phantasievoll und emphatisch vorgetragen wurde.
Zwei Bearbeitungen standen auf dem Programm, ein Orgelkonzert (C-Dur, BWV 594) von Bach (nach Vivaldi) und Guillous eigene Orgelversion der Sinfonischen Dichtung „Prometheus“ von Franz Liszt, die er wie eine amorphe Masse als dramatisches Gewühl aufklingen ließ. Im übrigen nutzte er die vielen Möglichkeiten der Oberlinger-Orgel, die Stürme und das trotzige Aufbegehren des Titanen sinnfällig zu machen.
In einem Choral (Nr.2, h-moll) von César Franck verfolgt Guillou konsequent das Interesse des Komponisten an der Auflösung der strengen Form der Gattung. Vorübergehend steigerte sich der Cantus firmus ins Gigantische, um im Dunkel zu verlöschen.
(Bonner General-Anzeiger, Norbert Stich)
Orgelkonzert mit Jean Guillou in St .Joseph
Alices Vater Lewis Carroll hat nicht alles erzählt. Während die Abenteuer im Wunderland von dem Gegensatz zwischen ihrer klaren kindlichen Logik und den verworrenen Einlassungen der Fabelwesen geprägt sind, wird sie nach dem Durchschreiten des Spiegels neuerlich von einer „Klanglawine“ überrollt, findet sich an einem geheimnisvollen Ort unter lauter „einbeinigen Gestalten wieder“, die wie „Regimenter in Reih‘ und Glied stehen“. Schließlich aber geht sie mit gestärktem Wissen aus diesem Wirrwarr hervor.
Jean Guillou, Titularorganist an der Pariser Kirche St. Eustache, der das dritte Orgelkonzert des 35. Bonner Orgel-Triduums in St. Joseph bestritt, läßt Alice zwischen die Orgelpfeifen geraten, die einzelnen Register des Werkes lassen sie erschauern, belustigen sie oder nötigen ihr Respekt ab. Dazu erklingen kurze, quasi improvisierte Miniaturen, welche das Gesehene mit dem richtigen Klang in Verbindung bringen: ein kurzweiliges, sehr anschauliches Lehrwerk, dessen Text von Dorothée Hütte phantasievoll und emphatisch vorgetragen wurde.
Zwei Bearbeitungen standen auf dem Programm, ein Orgelkonzert (C-Dur, BWV 594) von Bach (nach Vivaldi) und Guillous eigene Orgelversion der Sinfonischen Dichtung „Prometheus“ von Franz Liszt, die er wie eine amorphe Masse als dramatisches Gewühl aufklingen ließ. Im übrigen nutzte er die vielen Möglichkeiten der Oberlinger-Orgel, die Stürme und das trotzige Aufbegehren des Titanen sinnfällig zu machen.
In einem Choral (Nr.2, h-moll) von César Franck verfolgt Guillou konsequent das Interesse des Komponisten an der Auflösung der strengen Form der Gattung. Vorübergehend steigerte sich der Cantus firmus ins Gigantische, um im Dunkel zu verlöschen.
(Bonner General-Anzeiger, Norbert Stich)