2. Januar 2000 - Johannes Geffert, Köln
Ein Klassik-Konzert mit Ausrufezeichen
Nach Millenniums-Fieber und Jahr-2000-Phobie steht nun das nächste kollektive Massenereignis ins Haus: das Bach-Jahr. Ob man dem Geheimnis Bach mit dem zu erwartenden kollektiven Gedenkrummel damit wirklich auf die Spur kommt sei dahingestellt. Anstatt neue Aspekte der Auseinandersetzung mit dem Schaffen Bachs zu entdecken, spult man sein Werk lieber immer wieder vom Anfang bis zum Ende ab. Insgesamt muss deshalb auch das Unterfangen einer Gesamtaufführung des Bachschen Orgelwerkes prinzipiell mit einem großen Fragezeichen versehen werden, zumal selbiges Unterfangen bereits vor gerade einmal fünf Jahren in Bonn unternommen wurde. Damals wie heute hieß der Interpret Johannes Geffert, der 1994 noch Organist an der Kreuzkirche war und an der dortigen neobarocken Ott/Walker-Orgel spielte. Nun ist Geffert Professor an der Kölner Musikhochschule und spielt "seinen" Bach im Rahmen von zwölf Konzerten an der französisch orientierten Orgel von St. Joseph. Allein das verheißt schon interessante Einblicke, da das völlig anders geartete Instrument nach ganz unterschiedlichen Interpretationsansätzen verlangt.
Seinerzeit bestach Geffert durch ein konzises, rhetorisch geschultes Spiel, das technisch ebenso makellos wie musikalisch mustergültig war. Der weihnachtlich geprägte Auftakt zum neuerlichen Bach-Zyklus zeigte, dass sich daran bis heute nichts geändert hat, auch wenn die Oberlinger-Orgel gerade im Hinblick auf artikulatorische Finessen und die klangliche Ausrichtung zu Kompromissen zwingt.
Gefferts Interpretationen zeichneten sich aber dennoch dürch ein schlüssiges Konzept aus, nicht zuletzt, weil er es verstand, vermeintliche Beschränkungen zu Stärken umzudeuten. So waren einige Registrierungen merklich "romantisch", was mit ihrem Ausdrucksgehalt und ihrer Rarmonik erstaunlich gut harmonierte, etwa das zungendominierte Choralvorspiel "Lob sei dem allmächtigen Gott" (BWV 602) oder die fulminant gesteigerte C-Dur Fuge aus BWV 547. Darüber hinaus verstand Geffert es meisterhaft, den Ausdrucksgehalt vieler Choräle durch eine entsprechende Registrierung, die auch die Möglichkeiten der Orgel von St. Joseph ausschöpfte, nachzuvollziehen und seinem Ruf als musikalischer Rhetoriker gerecht zu werden. Somit darf dem anfangs aufgeworfenen Fragezeichen getrost ein mindestens ebenso großes Ausrufezeichen hinzugefügt werden. Geffert macht's möglich.
(Bonner General-Anzeiger, Guido Krawinkel)
Bach-Hommage
Bei Johann Sebastian Bach fallen die runden und die nicht ganz so runden Gedenkjahre immer zusammen, was der abnehmenden Merkfähigkeit des modernen Menschen, aber auch seiner wachsenden Lust am Event entgegenkommt. Im 325. Geburts- und 250. Todesjahr lässt dieser sich denn auch Überwältigendes einfallen. Auch Bonn hat gleich am 2. Januar losgelegt mit Johannes Geffert und dem Orgelwerk in zwölf übers Jahr verteilten Konzerten in St. Joseph an der Oberlinger Orgel, die nicht gerade das historische Bach-Spiel begünstigt, aber Klangmöglichkeiten andient, von denen der Thomaskantor nur träumen konnte. Möglicherweise dachte er ja auch nicht so historisch wie unsere Eiferer des rechten Tons und hätte sich einige der Kracher gewünscht, die Hans Peter Reiners' Orgel produzieren kann. Reiners hat Geffert ermuntert und eingeladen. Dem ehemaligen Kreuzkirchen-Organisten sollte das vielleicht gar nicht so unrecht gewesen sein, der jetzt als Kölner Hochschulprofessor an den Beueler Spieltisch kommt, was dann auch etwas deutlicher macht, wer der Kirchenmusikdirektor Geffert auch in seiner Bonner Zeit war: ein international gefragter, angesehener Konzertorganist, der jetzt seinen Schülern von seinem Bachspiel was weitergibt.
Nicht zum ersten Mal hierzulande gibt er darüber so komplett Auskunft. Vielleicht ist ja Geffert, der einem wundervoll klaren, groß gestalteten, aber eben auch nicht unromantischen und schon gar nicht sterilen Bachspiel frönt, der richtige, um diese Oberlinger-Orgel Bach dienlich zu machen, auch ein bisschen zu domestizieren, alles natürlich "per gloria dei".
Gefferts Programmabläufe mischen plausiblerweise kirchengebundene und freie Orgelwerke, frühen und späte. Das hält alle Termine attraktiv. Dabei ist aber immer auch in Rechnung zu setzen, dass die BWV-Zahlen über die Chronologie wenig sagen und in vielen Fällen die Entstehung undeutlich ist. Hier hörte man u. a. Präludium und Fuge in C-Dur BWV 531, früh datiert vor 1707; die Toccata, Adagio und Fuge C-Dur mit dem grandios bewältigten Pedalsolo (1708/17), die spät anzusetzenden Präludium und Fuge C-Dur BWV 547 (später, um 1723); dazu stellte er spannend verschiedene Bearbeitungen desselben Chorals und das Orgelbüchlein.
(H.D. Terschüren)