04.10.2015 - Martin Baker (Generalanzeiger Bonn)
Hightech in der Kirche
Martin Baker am neuen Orgel-Spieltisch in St. Joseph
Von Guido Krawinkel
Premiere in St. Joseph: Just zwei Tage vor dem Konzert von Martin Baker wurde der neue Generalspieltisch fertig, von dem aus die Chororgel hinter dem Hochaltar und die Hauptorgel im Turm nun gemeinsam vom Kirchenschiff aus gespielt werden können. Zudem verfügt die bei Konzerten vor der Altarinsel positionierte Steuerzentrale über ganz neue Möglichkeiten, etwa jedes einzelne Teilwerk der Orgel von jedem Manual aus spielen zu können, oder das Pedal zweizuteilen, so dass man mit den Füßen je unterschiedliche Klangfarben spielen kann.
Diese Möglichkeiten konnte Baker noch nicht alle ausnutzen. Er war auch erst am Nachmittag angereist, weil er vormittags noch ein Konzert in der Westminster Abbey, wo er als Master of Music amtiert, zu dirigieren hatte. Trotzdem spielte er ein anspruchsvolles Programm, das er mit Präludium und Fuge C-Dur (BWV 548) von Johann Sebastian Bach eröffnete. Hier leistete er sich den einzigen Schnitzer des Abends, als er die falsche Registrierung erwischte. Baker quittierte es mit einem britisch-höflichen "Excuse me". Die Registrierung war eher kammermusikalisch-zurückhaltend, dafür gefiel das kultivierte Non-Legato-Spiel Bakers ebenso wie die mit behutsam eingeführten Manualwechseln gut strukturierte, allerdings mehr legato gespielte Fuge.
Die sechste Symphonie von Charles-Marie Widor spielte Baker energisch vorwärtsdrängend in den Rahmensätzen. Ebenso wie die lyrisch-idyllischen Sätze und der präzise, akkurat und humorvoll gespielte Mittelsatz musikalisch in geradezu mustergültiger Weise auf den Punkt gebracht wurden. Und auch in der abschließenden originellen Improvisation über das gregorianische Te Deum zeigte der barfuß spielende Baker sein fabelhaftes Können.
Artikel vom 6.10.2015